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Compliance Richtlinie der IVLV

1. Einleitung

Die Industrievereinigung für Lebensmittelindustrie und Verpackung e. V. (IVLV) fördert die industrielle Gemeinschaftsforschung über die gesamte Wertschöpfungskette für sicher verpackte Lebensmittel hoher und lang anhaltender Qualität. Dies erfolgt sowohl in direkt aus Vereinsmitteln als auch aus öffentlichen Mitteln geförderten vorwettbewerbliche Forschungsvorhaben. Die öffentliche Förderung erfolgt hierbei in der Regel über das Programm Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF) durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen der IVLV Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen "Otto von Guericke" e.V. (AiF).

Das IVLV Wissensnetzwerk aus Industrie und Wissenschaft initiiert hierbei innovative Projekte. Von dem intensiven Austausch in zugehörigen Ausschüssen profitieren Unternehmen, insbesondere KMU, und Forschungseinrichtungen – auch über die Projektlaufzeit hinaus. Die IVLV Arbeitsgruppensitzungen und gezielten Praxisveranstaltungen schaffen ideale Ausgangsbedingungen für einen erfolgreichen Transfer der Forschungsergebnisse und deren Umsetzungschancen in der Wirtschaft.

Die aktive Teilnahme an Projektteamsitzungen und Transferveranstaltungen ist für den erfolgreichen Wissensaustausch und letztlich den Erfolg jedes einzelnen Projekts sehr wichtig. Damit dies, insbesondere auch für in Geschäftsbeziehungen oder im Wettbewerb stehende Unternehmen ohne rechtliches Risiko erfolgt, sind wettbewerbsrechtliche Aspekte zu beachten. Die IVLV macht deshalb auf das europäische und nationale Kartellrecht aufmerksam. Es untersagt, im Rahmen jeglicher IVLV Veranstaltungen

  • wettbewerbsrelevante Themen wie Preise oder Preiselemente zu diskutieren oder
  • sensible Unternehmensdaten auszutauschen oder
  • Verhaltensweisen im Wettbewerb abzustimmen bzw. entsprechende Beschlüsse oder Vereinbarungen zu treffen.

Verstöße gegen das Kartellrecht können mit hohen Bußgeldern geahndet werden, die die IVLV, ihre Mitgliedsunternehmen und u.U. auch Mitarbeiter persönlich zu tragen haben. Von daher ist die Beachtung des Kartellrechts unerlässlich.

2. Übersicht über wichtige kartellrechtliche Vorschriften

Artikel 101 Absatz 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV):
„Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, insbesondere
a) die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;
b) die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen;
c) die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen;
d) die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden;
e) die an den Abschluss von Verträgen geknüpfte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen.“

§ 1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB):
„Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.“

3. Handlungen, die mit dem Kartellrecht nicht vereinbar sind

Aus den zuvor zitierten Vorschriften ist ersichtlich, dass Verstöße gegen das Kartellrecht in verschiedenen Formen begangen werden können. Neben ausdrücklichen Verträgen oder Vereinbarungen oder förmlichen Beschlüssen kommen kartellrechtlich verbotene Handlungen auch in der Form von abgestimmten Verhaltensweisen vor. Nach einer Definition des Europäischen Gerichtshofs fällt unter den Begriff einer abgestimmten Verhaltensweise jede Form der Koordinierung, die zwar nicht zum Abschluss eines Vertrages im eigentlichen Sinne gediehen ist, die aber bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt.

Auch ein Informationsaustausch kann eine abgestimmte Verhaltensweise darstellen, wenn Unternehmen sogenannte strategische Informationen bzw. sensible Daten austauschen. Für die Annahme eines Verstoßes durch eine abgestimmte Verhaltensweise kommt es nicht darauf an, ob mehrere Unternehmen sensible Informationen ausgetauscht haben oder lediglich ein Unternehmen das beabsichtigte Marktverhalten offenbart hat. Dies gilt auch für Situationen am Rande von Gremienveranstaltungen oder bei informellen Zusammenkünften.

Die Schwelle zwischen (erlaubtem) autonomem und (verbotenem) abgestimmtem Parallelverhalten kann sehr niedrig sein. Nachstehend finden sich einige Beispiele von Verhaltensweisen, strategischen Informatio-nen bzw. sensiblen Daten, die mit dem Kartellrecht nicht vereinbar sind:

Zwischen Unternehmen/Organisationen

  • Vereinbarungen oder Abstimmungen über Preise (Listenpreise, Marktpreise, Mindest-preise, Angebotspreise, Preisanhebungen oder Preissenkungen, auch Preisbestandtei-le, Preiskalkulationen, Kosten und durchlaufende Posten) und andere preisrelevante Faktoren wie z. B. Preiszuschläge, Rabatte, Skonti oder sonstige Vertragsbedingun-gen wie z. B. Zahlungsbedingungen, Lieferfristen, Transportbedingungen, Gewährleis-tung und Garantien;
  • Informationsaustausch über individuelle Marktdaten, sofern er sich auf Daten bezieht, die üblicherweise geheim gehalten werden, wie insbesondere Kapazitätsauslastung, Liefermengen, Angebote, Preise, preisrelevante Faktoren, Kosten, Lagerbestände, Lagerreichweiten, Verkaufszahlen und Umsätze, Kunden, Marktanteile, und der In-formationsaustausch zeitnah erfolgt bzw. das künftige Marktverhalten beeinflussen kann; Absprachen über geplante Neueinführungen von Produkten, Komponenten oder Prozessen;
  • Benchmarking, wenn durch derartige Vergleiche von Wettbewerbern Rückschlüsse auf Preise oder sonstige Wettbewerbsparameter (z. B. Produktionsmenge, Produkt-qualität, Produktvielfalt und Innovation) möglich sind;
  • Festlegung von Marktanteilen oder Quoten für Produktion oder Lieferungen;
  • Aufteilung von Märkten (nach Regionen oder Produkten) oder Kunden; -Absprachen über Kapazitäten, Investitionen oder Stilllegungen;
  • Abstimmung von Herstellungsprogrammen (Spezialisierung);
  • Absprachen über Produktions- oder Lieferbeschränkungen;
  • Submissionsabsprachen (Abgabe von abgestimmten Angeboten im Rahmen von Ausschreibungen).

Bei Verbänden

  • Beschlüsse von Verbänden, die deren Mitglieder in ihrem wettbewerblichen Verhalten ungerechtfertigt beschränken;
  • einseitige tatsächliche Handlungen eines Verbandes (z.B. Presseerklärungen) in wettbewerblich relevanten Bereichen, die als Beschluss des Verbandes ausgelegt werden können;
  • Verbandsempfehlungen, die geeignet sind, das wettbewerbliche Verhalten der Mitglieder zu beeinflussen;
  • Organisation von Marktinformationssystemen oder -statistiken, die Rückschlüsse auf das Marktverhalten einzelner Marktteilnehmer ermöglichen;
  • Weitergabe von sensiblen, z.B. unternehmensindividuellen, Daten (u. a. Informationen über Preise, Preisbestandteile, Mengen, Kapazitäten, Lagerbestände und -reichweiten, Verkaufszahlen, Umsätze) an Mitgliedsunternehmen, an Dritte oder an die Öffentlichkeit;
  • Erstellung von Kalkulationsschemata oder einzelner Kalkulationselemente, wenn sie zu einer Vereinheitlichung von Wettbewerbsparametern führen können;
  • Lieferantenbewertungen, die zu einem gleichförmigen Nachfrageverhalten der Mitglieder führen können;
  • Aufruf zu Boykottmaßnahmen, mit bestimmten Lieferanten oder Kunden keine Geschäfte zu machen;
  • Organisation von Selbstverpflichtungen der Industrie, es sei denn, diese Selbstverpflichtungen sind zur Förderung eines höherrangigen Ziels (z. B. Umweltschutz, technischer oder wirtschaftlicher Fortschritt) im Einzelfall gerechtfertigt;
  • Erfahrungsaustausch zwischen Mitgliedern, der zu einem gleichförmigen Marktverhalten führt oder dazu geeignet ist;
  • Mitwirkung bei oder Ermöglichung oder Koordination jeglicher, insbesondere unter vorstehendem Buchstaben A aufgeführter Wettbewerbsverstöße von Unternehmen.

4. Verhaltensrichtlinie

Die Tätigkeit in IVLV Gremien, Arbeitsgruppen, projektbegleitenden Ausschüssen oder Transferveranstaltungen darf nicht für sachfremde Zwecke genutzt werden, insbesondere nicht, um Gelegenheit zur Erörterung kartellrechtlich unzulässiger Themen zu schaffen. Alle Teilnehmer bei Projekten und Veranstaltungen haben darauf zu achten, dass es nicht zu Verstößen gegen kartellrechtliche Vorschriften kommt. Mitglieder und Kooperationspartner (auch beauftragte Forschungsinstitute) verpflichten sich hierzu mit Anerkennung der aktuellen IVLV Compliance Richtlinie zu Beginn der Mitgliedschaft bzw. Kooperation.

Bei Sitzungen oder Transferveranstaltungen weist die Leitung zu Beginn alle Teilnehmer auf die Einhaltung der kartellrechtlichen Vorschriften während aller Veranstaltungen der IVLV, einschließlich der Veranstaltungspausen hin. Mit der Unterschrift auf der Teilnehmerliste wird die Compliance Richtlinie der IVLV anerkannt.

Sollte sich im Rahmen einer Sitzung ein Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften anbahnen, hat die Sitzungsleitung die Teilnehmenden auf diese Unzulässigkeit hinzuweisen und auf die Beendigung des kritischen Verhaltens hinzuwirken. Bei allen (schriftlichen oder mündlichen) Äußerungen ist darauf zu achten, dass sie nicht missverstanden werden können und nicht der Anschein der Behandlung kartellrechtlich unzulässiger Themen entstehen kann.

(Stand 06/2018)