Aromafreisetzung

Forschungstitel:
Einfluss des Conchierens auf Aromawahrnehmung beim Schokoladengenuss

Arbeitsgruppe: Schokoladentechnologie

Forschungsstelle und wissenschaftliche Betreuung:
Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV;
Wolfgang Danzl, Dr. Klaus Rieblinger, Dr. Jonathan Beauchamp

Finanzierung: IVLV
Laufzeit: 2013

Das Conchieren entscheidet sowohl über Geschmacksqualität als auch Produktionskosten von Schokoladen. Erstmals gelang im Fraunhofer IVV in einem IVLV- Projekt der Nachweis, dass die Aromaentwicklung in der Conche auf Aromadiffusion zurückgeht. Die bisherigen Nachweise erfolgten durch eine Aromabilanz in Fett- und Nichtfettanteil, jeweils vor und nach dem Conchieren. Auf Basis dieser Arbeiten wurde auch erstmals ein Conchiergrad definiert, der eine objektive Messung der Leistungsfähigkeit der Aromaveredelung in Conchen erlaubt (veröffentlicht in Süsswaren 2003 – 2007). Die Ergebnisse werden inzwischen erfolgreich in der Industrie angewandt.

Man weiß noch nicht, wie das Conchieren die Aromawahrnehmung beim Genuss von Schokoladen beeinflusst. Man geht zwar davon aus, dass mit zunehmendem Conchiergrad der Aromaeindruck intensiver und nachhaltiger wird, aber der direkte Nachweis (in-vivo) fehlt. Dies ist Ziel unseres Projekts am Fraunhofer IVV. Messungen werden in Echtzeit in der Atemluft von Verkostern mit moderner Protonentransferreaktions-Massenspektrometrie PTR-MS durchgeführt.

Stand des Wissens

Durch Verändern von rheologischen als auch geschmacklichen Eigenschaften von Schokoladen stellt das Conchieren den finalen Schritt dar, um ein optimales Geschmacks- und Aromaprofil für den Konsumenten zu erzeugen.

Die vorangegangene Zerkleinerung mittels Walzwerken erzeugt zwar die endgültige Partikelgrößenverteilung in den Schokoladen, jedoch können dabei die kleinen Partikel Agglomerate bilden. Diese werden durch intensive Scherung in der Conche aufgelöst. Dies führt zu einer deutlichen Abnahme der Porosität in der Masse. Dadurch wird das in den Poren gebundene Fett freigesetzt und führt zu einer deutlichen Verbesserung des Fließverhaltens der Schokolade (Ziegleder 2003), Beckett 2009). Daneben wird auch noch ein Großteil des Wassers entfernt um die erforderlichen niedrigen Wassergehalte (ca. 0,3 %) zu erreichen. Beim Flüssigconchieren wird Zugabe von Kakaobutter der endgültige Fettgehalt der Schokoladen erreicht (Braun 2000, Beckett 2009).

Die Veränderungen des Aromaeindruckes von Schokoladen während des Conchierens beruht im Wesentlichen auf zwei Mechanismen. So werden zum einen unerwünschte Aromastoffe, allen voran Essigsäure, aus der Masse ausgetrieben (Mohr 1958, Ziegleder 1997). Wobei auch ein geringer Teil des gesamten Aromaspektrums verloren geht. Zum anderen konnten Ziegleder et al (2003, 2004) zeigen, dass während des Conchierens ein Teil des Aromas aus den Kakaopartikeln auf die Zuckeroberflächen migriert. Die Untersuchungen konnten eine starke Korrelation zwischen analytisch gemessenen Conchiergrad und senorischer Präferenz unterschiedlich conchierter Schokoladen zeigen.

Das Aroma von Schokolade wurde bereits hinreichend untersucht. Die Aromastoffe konnten dabei von Schieberle et al (1997) den einzelnen Bestandteilen der Schokolade zugeordnet werden (Kakao, Milch, Vanille, Haselnuss) Der Einfluss der einzelnen technologischen Prozessschritte der Kakaoverarbeitung wie Fermentation, Röstens oder Kakaomassenvorbehandlung (Petzomieren) auf das Grundaromas einer Kakaomasse sind bekannt (Ziegleder 1983, 1991). Die Untersuchungen des Aromas von Schokoladen während des Conchierens zeigen, dass keine neuen Aromastoffe entstehen. Es werden lediglich unfeine, saure Aromastoffe ausgetrieben so dass die erwünschten Aromen in den Vordergrund treten können. Lediglich bei hohen Temperaturen beim Conchieren von Milchschokoladen können auf Grund von Maillardreaktionen im Milchpulver neue Karamellnoten entstehen (Danzl und Ziegleder 2011). Die Umverteilung des Aromas und die Versalbung von Zuckeroberflächen führen zu einem runden Geschmackseindruck (Ziegleder 1997).

Beim Genuss von Lebensmitteln spielt eine Vielzahl von Faktoren zusammen. Entscheidend beeinflussen hier die physikalischen Eigenschaften (Form, Schmelzen und Textur) auch die wahrnehmbaren chemischen Eigenschaften (Aroma und Geschmack) (Carvalh-da-Silva et al 2011). Für Schokolade wurde schon die Partikelgrößenverteilung auf die Aromafreisetzung näher betrachtet (Afowaka et al 2009). Bisherige Untersuchungen beruhten auf getrennten analytischen und sensorischen Untersuchungen. Neue Messtechniken erlauben es die Aromafreisetzung analytisch (z.B. mittels PTRMS) in vivo, also im Mund bzw. retronasal zu messen. Dies wurde bereits für einige Lebensmittel durch Büttner et al (2000, 2002, 2010), Mishellany-Dutour et al (2012) und Gierczynski et al (2007) durchgeführt. Erste Untersuchungen mit Schokolade zeigen die prinzipielle Machbarkeit (Mesiarikova 2011).

Forschungsziele

Die Aromafreisetzung von unterschiedlich conchierten Schokoladen soll in vivo untersucht werden. Dabei soll der sensorische Eindruck, analytischer Conchiergrad und in vivo PTR-MS Messungen zu einem Verständnis führen warum der Aromaeindruck sich während des Conchieres verändert. Begleitend zu den Aromauntersuchungen sollen auch die rheologischen Eigenschaften der Schokoladen ermittelt werden. Durch die Erkenntnisse sollen sich optimale wirtschaftlich Conchierbedingungen für differenzierte Geschmackseindrücke definieren lassen.

Innovativer Beitrag

Die Untersuchung von Aromafreisetzung im Mund mittels PTRMS gehört derzeit zu den innovativsten Forschungsmethoden in der Lebensmitteltechnologie. Es gibt nur wenige Anwendungen bisher. Die Anwendung auf Schokoladen ist neu, könnte aber über die Forschung hinaus auch für die Bewertung und Optimierung des industriellen Conchierprozesses interessant werden.

Lösungsweg

Im Fraunhofer IVV oder der Schokoladenindustrie werden Schokoladen unterschiedlicher Conchierqualität (Conchierzeit, Energieeintrag) hergestellt und korrekt ausgetafelt. Der analytische Conchiergrad wird gemessen, ferner Viskosität, Fließgrenze und Partikelverteilung. Danach werden wenige Versuchsmuster für komplexe Untersuchungen mit Atemluft- PTR-MS ausgewählt. Dort verkosten Probanden die Schokomuster, und in ihrer Atemluft wird die Konzentration der vielfältigen Aromastoffe unmittelbar registriert und über Minuten verfolgt. So soll sich zeigen, wie die flüchtigen Kakaoaromastoffe aus Schokolade im Mund freigesetzt werden, in die Atemluft gelangen und retronasal als Geschmack erkannt werden. Auch Einflüsse von Fließverhalten, Schmelzverlauf, Fettgehalt, Walzenfeinheit. werden untersucht.

Wirtschaftliche Bedeutung des Forschungsthemas für kmU

Die deutsche Schokoladenindustrie produzierte nach Angaben des BDSI im Jahr 2007 ca. 973.000 t Schokolade und Schokoladenwaren im Wert von 4,6 Mrd. €. Ein großer Anteil der Schokoladenartikel wird von kleinen und mittleren Unternehmen produziert. Das Conchieren stellt dabei den finalen Schritt für die Schokoladenherstellung dar, um das Geschmacks- und Aromaprofil einer bestimmten Marke zu definieren. Hierfür werden teilweise große Mengen an Energie und Zeit eingesetzt. Eine Optimierung des Conchiervorgangs birgt dabei große Einsparpotentiale. Das Fraunhofer IVV hat dazu bereits wertvolle Beiträge und Grundlagen geschaffen. Die erwarteten Erkenntnisse und angewandten Methoden sind unmittelbar in die Industrie übertragbar und steigern die Leistungsfähigkeit bei der Produktion sowie bei der Qualitätskontrolle von Schokoladewaren. KmUs haben nicht die finanzielle Kapazität oder instrumentelle Ausstattung, um die nötige Vorlaufforschung allein zu leisten. Sie können aber die in der Gemeinschaftsforschung gewonnenen Erkenntnisse unmittelbar bei der Produktion umsetzen und erhalten ergänzende Erkenntnisse. Für die Fragestellung steht dem Fraunhofer IVV seit kurzem sowohl ein modernes Schokoladentechnikum als auch Analytik für die in vivo Messung der Aromafreisetzung zur Verfügung.

Beabsichtigte Umsetzung der angestrebten Forschungsergebnisse

Die Einbindung des Projekts in die Arbeitsgruppe Schokoladentechnologie der Industrievereinigung für Lebensmitteltechnologie und Verpackung e.V. (IVLV) sichert den effektiven und kontinuierlichen Wissenstransfer zu Unternehmen. Der Antragsteller betreut diese industrielle Gruppe mit ca. 50 Mitgliedern aus Schokoladenindustrie und Anlagenbau. Die Ergebnisse werden bereits während des laufenden Projekts im projektbegleitenden Team diskutiert, als feed back genutzt und praktisch angewandt. Die Ergebnisse werden in Fachzeitschriften publiziert und in Seminaren der ZDS Solingen referiert. Als Fortsetzung der gemeinschaftlichen Projektarbeit ergeben sich in der IVLV auch Möglichkeiten zur Beratung von kmU. Über einen Lehrauftrag und Kooperation mit FH Weihenstephan sollen Erkenntnisse auch in die Lehre übergehen.

Sitzungsunterlagen